Die Übergangsphase vom Jugend- zum Erwachsenenalter hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Sie erstreckt sich im Vergleich zu früher über einen längeren Zeitraum und ist weniger strukturiert und standardisiert. Auch zeigen sich heute erhebliche Unterschiede in der Reihenfolge der Übergänge in die Arbeitswelt und im privaten Bereich, sowie in der Entwicklung bürgerschaftlicher Teilhabe. Deutlich wurde zudem, dass die unterschiedlichen Transitionsverläufe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen insbesondere durch Bildung, soziale Herkunft, Nationalität, Geschlecht und die zur Verfügung stehenden Ressourcen erklärt werden können. Dieser Policy Brief beschreibt Transitionen vom Jugend- ins Erwachsenenalter auf Grundlage der Erkenntnisse aus dem Jugendbericht 2015.
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Längere Transitionsphasen verschieben biographische Etappen wie Arbeitsbeginn oder Familiengründung
In den vergangenen Jahrzehnten ist in Luxemburg (wie in den meisten westlichen Gesellschaften) eine deutliche Verlängerung der Transition vom Jugendlichen zum Erwachsenen festzustellen. Sichtbar wird diese Verlängerung an den immer später erfolgenden Transitionen in den zentralen Übergangsbereichen: die Aufnahme einer Erwerbsarbeit, das Eingehen einer Ehe und die Gründung einer Familie erfolgen heute deutlich später als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Die Verlängerung der Transitionsphase geht in der Regel darauf zurück, dass junge Menschen heute mehr in Bildung investieren müssen und daher eine längere Zeit im Bildungssystem verbringen, bevor sie auf Arbeitssuche gehen. Zugleich gestaltet sich der Eintritt in den Arbeitsmarkt heute problematischer: Praktika, befristete Arbeitsverträge, Teilzeitverträge, wiederholte Arbeitslosigkeit kennzeichnen diesen Übergang und führen zu einer Verlängerung der Transition in Arbeit.
Mit dem dadurch bedingten späteren Erwerbseinstieg hängen auch die zeitlichen Verschiebungen in den privaten Bereichen zusammen: Sicherheit im beruflichen (und damit auch finanziellen) Bereich sind für viele junge Menschen nach wie vor Voraussetzung für den Erwerb einer Immobilie und die Gründung einer eigenen Familie. Hinzu kommt, dass die traditionellen Transitionsmarker zum Erwachsenenstatus nicht mehr für alle Jugendlichen von Bedeutung sind und normativen Charakter haben.
Wenngleich ein Großteil diese Übergangsereignisse anstrebt und als wichtige Stationen auf dem eigenen Lebensweg erachtet, wird die Transitionsphase von vielen auch als Phase des Ausprobierens, der Selbstverwirklichung und der Entfaltung eigener Lebensvorstellungen gesehen.
Übergänge und biographische Verläufe werden unterschiedlicher
Als Folge von Individualisierung und gesellschaftlicher Differenzierung gibt es heute eine hohe Wahlfreiheit bei biografischen Entscheidungen und eine Vielzahl möglicher Wege ins Erwachsenenalter. Traditionelle Muster verlieren an Bedeutung, individualisierte Übergänge nehmen zu. Die größere Entscheidungsfreiheit bedingt aber gleichzeitig einen Zwang zur Entscheidung und ist mit größeren Unsicherheiten und Risiken verbunden.
Welche Folgen einzelne Entscheidungen für die individuelle Biografie haben können, ist für Jugendliche oft nur schwer zu überschauen. Während ein Teil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Wahlfreiheit zu nutzen weiß – etwa indem sie sich bewusst für einen bestimmten beruflichen Weg entscheidet –, geht der Übergang für andere nicht ohne Unsicherheit, Krisen und Ängste vonstatten.
Inwiefern junge Menschen die Freiheiten zu nutzen wissen und mit den damit verbundenen Anforderungen kompetent umgehen können, hängt einerseits von den persönlichen Ressourcen (u. a. kognitive Fähigkeiten, soziale Kompetenzen, Selbstwirksamkeit) ab, andererseits von der Unterstützung aus dem sozialen Umfeld (Familie, Freundschaften).
Einige junge Erwachsene konnten 2015 ihre biographische Walhfreiheit gezielt und selbstbestimmt ausnutzen. Für andere ging der Übergang nicht ohne Unsicherheit, Krisen und Ängste vonstatten. | © Jantine Doornbos via Unsplash
Übergangsereignisse sind mehr und mehr entkoppelt und umkehrbar
Die Transitionen in den verschiedenen Übergangsbereichen sind nicht unabhängig voneinander, sondern bedingen sich teilweise gegenseitig. So stellt ein erfolgreicher Übergang in die Arbeitswelt für einen großen Teil junger Menschen die Voraussetzung für eigenständiges Wohnen oder die Gründung einer eigenen Familie dar. Gleichzeitig sind diese unterschiedlichen Transitionsereignisse, die den Übergang ins Erwachsenenalter markieren, zeitlich voneinander entkoppelt:
Im Gegensatz zu früher, als gesellschaftliche Normen und Konventionen etwa den Auszug aus dem Elternhaus erst bei bevorstehender Eheschließung vorsahen oder die Elternschaft nicht unabhängig von der Eheschließung gesehen werden konnte, liegen verschiedene private Übergangsereignisse heute oft zeitlich weit auseinander: So erfolgt der Auszug aus dem Elternhaus in der Regel deutlich vor einer Eheschließung oder der Gründung einer Familie.
Des Weiteren kann der Übergang in einem Lebensbereich bereits erfolgreich abgeschlossen sein, während die Transition in anderen Bereichen noch nicht begonnen hat (z.B. erwerbstätige junge Erwachsene, die noch bei ihren Eltern wohnen). Zudem können einmal erfolgte Übergänge nicht als für immer ab-geschlossen gelten; sie verlaufen vielmehr immer häufiger auch reversibel.
Beispielhaft hierfür ist die Situation von Akademiker*innen, die nach einer Phase des eigenständigen Wohnens während des Studiums wieder zurück zu ihren Eltern ziehen. Auch kann der Verlust der Arbeitsstelle oder eine Scheidung dazu führen, dass junge Menschen wieder ihr eigenständiges Wohnen aufgeben müssen und zurück zu ihren Eltern ziehen.
Transitionsereignisse, wie die Eheschließung, verlaufen immer häufiger auch reversibel. | © Andres Molina via Unsplash
Jugendliche mit familiärer Unterstützung bewältigen Übergänge besser
Unsere Befunde verweisen übereinstimmend auf die hohe Bedeutung der elterlichen Unterstützung für eine positive Bewältigung der Transition. Bei Jugendlichen, die mit Problemen in der Übergangsphase konfrontiert sind, fehlt diese Unterstützung häufig. Individuelle Problemlagen und ein fehlendes soziales Netzwerk führen dann oft zu unterstützungsbedürftigen oder gar gescheiterten Transitionsverläufen.
Demgegenüber können Jugendliche mit zugewandten und unterstützenden Eltern nicht nur auf deren finanzielle Hilfe, sondern auch auf deren Erfahrung, Wissen und psychischen Rückhalt zählen. Dies wirkt sich nicht erst beim Übergang ins Erwachsenenalter aus, sondern spielt bereits in der Schulzeit eine entscheidende Rolle.
Auch beim Übergang in eigenständiges Wohnen ist die Unterstützung der Familie ein wichtiger Faktor. Angesichts der hohen Immobilienpreise in Luxemburg sind die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf die Hilfe ihrer Eltern angewiesen. Jedoch verfügen nicht alle Eltern über die Möglichkeit, ihre Kinder finanziell zu unterstützen oder ihnen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Der Einfluss der Herkunftsfamilie wird besonders bei der Entwicklung bürgerschaftlicher Teilhabe deutlich: Jugendliche, die in einer politisch interessierten und engagierten Familie aufwachsen, zeigen häufiger auch selbst Interesse an Politik und entwickeln eher eigenes politisches und gesellschaftliches Engagement. Eltern sind nicht nur wichtige Rollenvorbilder, sondern fördern auch oftmals gezielt das Engagement ihrer Kinder.
Jugendliche, die nicht auf die Unterstützung und das Vorbild ihrer Eltern zurückgreifen können, sind in weiten Teilen benachteiligt. Mit außerfamilialen Unterstützungsangeboten wird versucht, diese Benachteiligungen zu kompensieren, sie können jedoch die familiale Unterstützung nicht vollständig ersetzen.
In Luxemburg können nicht alle Eltern ihre Kinder finanziell unterstützen. | © P. K. Picture world via Unsplash
Transitionsverläufe von jungen Frauen und jungen Männern unterscheiden sich
Die Lebensläufe von jungen Männern und jungen Frauen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten einander angeglichen, insbesondere was die Ausgestaltung der Bildungswege und der beruflichen Tätigkeit angeht. Frauen sind im Vergleich zu früher zu deutlich höheren Anteilen erwerbstätig und kehren nach der Geburt der Kinder früher und häufiger wieder ins Erwerbsleben zurück.
Dennoch zeigen sich auch Unterschiede in der Transition zwischen den Geschlechtern. Junge Frauen erreichen im Durchschnitt höhere Bildungsabschlüsse als junge Männer und verfügen öfter über einen Hochschulabschluss; entsprechend verbleiben sie länger im Bildungssystem. Frauen ziehen früher in eine eigenständige Wohnsituation, während junge Männer häufig länger im Elternhaus wohnen bleiben.
Allerdings leisten Frauen auch heute noch einen größeren Anteil der privaten Erziehungs- und Betreuungsarbeiten, was dazu führt, dass mehr Frauen die Doppelbelastung durch Reduzierung ihrer beruflichen Tätigkeit (Teilzeitarbeit) zu bewältigen suchen.
In Bezug auf die gesellschaftliche und politische Beteiligung zeigen sich jedoch die männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen aktiver: Mädchen und junge Frauen sind weniger an Politik interessiert als ihre männlichen Altersgenossen und engagieren sich auch weniger in Vereinen und zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Frauen ziehen früher in eine eigenständige Wohnsituation, während junge Männer häufig länger im Elternhaus wohnen bleiben. | © Tim Mossholder via Unsplash
Wie Nationalität und Migration Transitionen beeinflussen
In allen Übergangsbereichen wurden deutliche Unterschiede in der Bewältigung der Transition zwischen jungen Menschen luxemburgischer und ausländischer Herkunft deutlich. Wenngleich die Befunde differenziert zu betrachten sind, lässt sich festhalten, dass Jugendliche und junge Erwachsene ohne luxemburgische Nationalität im Durchschnitt niedrigere Bildungsabschlüsse erreichen als jene mit luxemburgischer Nationalität.
Da häufig noch mangelnde sprachliche Kompetenzen und fehlende soziale Netzwerke hinzukommen, werden bereits früh die Weichen für die berufliche Zukunft vieler Jugendlicher mit Migrationshintergrund gestellt: Entsprechend finden sich junge Menschen mit Migrationshintergrund überproportional häufig in Berufen mit geringen Qualifikationsanforderungen wieder, sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen und müssen häufiger auf die Hilfe von Maßnahmen zur Bewältigung der Transition zurückgreifen.
Auffallend sind darüber hinaus das geringe politische Interesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit ausländischer Nationalität, sowie deren geringere gesellschaftliche und politische Beteiligung. Aus der starken Integrationskraft eines freiwilligen Engagements ziehen junge Menschen mit Migrationshintergrund somit nur selten Nutzen.
Daneben zeigen die Daten aber auch eine Vielzahl von hoch qualifizierten, beruflich erfolgreichen und bestens integrierten Immigranten, die jedoch häufiger aus der zweiten Migrantengeneration entstammen und vielfach aus anderen EU-Ländern kommen.
Befunde zur Nationalität sind differenziert zu betrachten. | © Li Jia via Unsplash
Der Beitrag und die Grenzen der Unterstützungsangebote
Das vorhandene Angebot an Maßnahmen zur Unterstützung der Transition in unterschiedlichen Bereichen stellt für viele Jugendliche und junge Erwachsene eine wichtige Hilfe zur Bewältigung des Übergangs dar. Dies belegen die überwiegend positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden.
Für den Bereich der Arbeitsintegrationsmaßnahmen hat sich gezeigt, dass der überwiegende Teil der Maßnahmenteilnehmer*innen den Wissens- und Kompetenzzuwachs, die persönliche Weiterentwicklung und die Verbesserung der beruflichen Chancen durch die Teilnahme positiv bewertet. Folgende vier Faktoren haben einen positiven Einfluss auf die Bewertung:
- der individuelle Zuschnitt der Maßnahme auf die*den Teilnehmer*in,
- das Eingehen auf die Bedürfnisse der*des Teilnehmerin*Teilnehmers,
- die Identifikation von Stärken und Schwächen der*des Teilnehmerin*Teilnehmers sowie
- die individuelle Förderung der*des Teilnehmerin*Teilnehmers.
Eine Orientierung der Maßnahmen an diesen Faktoren dürfte damit auch einen positiven Effekt auf den Erfolg der Maßnahmen haben.
Die betreuten Wohnstrukturen tragen zu einer Verbesserung der Lebenssituation sowie der Alltagsbewältigung der Bewohner*innen bei. Allerdings müssen Jugendliche teilweise sehr lange Wartezeiten in Kauf nehmen, bevor sie einen freien Platz erhalten. Dies deutet auf den hohen Bedarf an zusätzlichen Wohnstrukturen hin.
Ältere Jugendliche in Wohnstrukturen mit mehr individuellen Freiräumen und mehr Partizipationsmöglichkeiten bewerten den individuellen Nutzen der Angebote höher als junge Jugendliche, die in ihren Wohnstrukturen oft mit einem höheren Maß an Kontrolle und Regeln konfrontiert sind. Insgesamt wäre eine Ausweitung der Beteiligungsmöglichkeiten notwendig um die Entwicklung von Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Bewohner*innen zu stärken und damit die Voraussetzungen für den erfolgreichen Übergang in eigenständiges Wohnen zu verbessern.
Die Angebote zur Förderung bürgerschaftlicher Teilhabe werden fast ausschließlich von Jugendlichen mit luxemburgischer Nationalität genutzt. Dabei kommt diesen Angeboten nicht nur eine wichtige soziale Integrationsfunktion zu, sondern sie tragen auch maßgeblich zur Entwicklung breit gefächerter Kompetenzen (u.a. Verantwortungsübernahme, Weiterentwicklung der Persönlichkeit und zum Teil auch Fachkompetenzen) bei. Vor diesem Hintergrund erscheint eine stärkere Öffnung der Angebote hin zu Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie Jugendlichen mit niedrigen Bildungsqualifikationen von großer Bedeutung.
Neben den positiven Effekten weisen die Ergebnisse also auch auf die Grenzen der Unterstützungsangebote hin. So erweisen sich Maßnahmen für einige Jugendliche als Warteschleife oder Sackgasse und führen nicht zur gewünschten Verbesserung der jeweiligen Situation. Insbesondere stark unterstützungsbedürftige junge Menschen mit multiplen Problemen profitieren nur bedingt vom vorhandenen Maßnahmenangebot, sondern benötigen umfangreichere Unterstützung, die spezifisch auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Notwendig wären hier eine verbesserte Früherkennung und eine stärker sozialpädagogisch ausgerichtete Betreuung, die auch die Familie einbezieht.